VALUE VOYAGE
Solo show at Kunstraum Aarau, CH
February 02 - March 10 2024
Text: Benedikt Bock
Photos: Roman Gaigg (except above: Roger Meier)
Installation view 'Value Voyage'
Value Voyager IV (Bearbricks X Mondrian Foundation), 2023. Acryl auf Leinen
Stadtpolizei Zürich Regionalwache City Lobby, 2023. Acryl auf Leinen
Memorial Piece (Hat Sticker Trophy Wall, Kantonspolizei Zürich Interrogation Office, Main Train
Station Zurich), 2024. Acryl auf Leinen
Installation view 'Value Voyage'
Value Voyager III (Bearbricks X Mondrian Foundation), 2023. Acryl auf Leinen
Paraphernalia, 2021. Acryl auf Leinen
Das Original, 2024, Mozartkugelpapier, Holz, Messing. Unlimitierte Edition
Installation view
Installation view 'Value Voyage'
Das Original, 2024, Mozartkugelpapier, Holz, Messing. Unlimitierte Edition
Installation view
Value Voyager I (Bearbricks X Mondrian Foundation), 2023. Acryl auf Leinen
Day’n’nite (GIacometti: Fleur en Danger), 2023. Acryl auf Leinen
Installation views 'Value Voyage'
Day’n’nite (GIacometti: Petite figurine), 2023. Acryl auf Leinen
Das Original, 2024, Mozartkugelpapier, Holz, Messing. Unlimitierte Edition
Installation view
Happy Place, 2022. Acryl auf Leinen
Park Core, 2023, Acryl auf Leinen
Value Voyage
Thomas Moor zeigt in seiner Ausstellung Value Voyage im Kunstraum Aarau eine Auswahl
von Arbeiten der letzten drei Jahre.
Dabei mischen sich einzelne Serien und Bezüge,
zusammen formen sie als Puzzleteile ein Gesamtbild, das genau darüber spricht: Über
Bilder. Über ihre Herkunft, über ihre Zirkulation und über ihren eigenartigen Wert.
Im Gegenlicht eines Sonnenuntergangs leuchten die schwarzen Konturen einer übergroßen
Spinne. Die Malerei ist aus zwei Querformaten zusammengesetzt und bildet ein
lang gezogenes Panorama, das an das 16:9 aus Filmen erinnert. Das Bild wirkt wie eine
Szene aus einem Horrorfilm. Allerdings handelt es sich bei dem Motiv nicht um ein Filmstill,
sondern um ein Stock-Foto des Guggenheim Museums in Bilbao, das eine Skulptur
der französisch-US-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois abbildet, und auf das
Thomas Moor als Sujet für seine Arbeit Park Core zurückgegriffen hat. Die dramatische
Szene – das Spektakuläre – ist Teil der fotografischen Inszenierung. Dabei ist der Blick auf
die Skulptur gefärbt von Hollywood, Freizeitpark Entertainment und Video Games. Kunst
als Spektakel.
2021 zeigte Thomas Moor in der Fundaziun Nairs im Unterengadin eine Reihe von
Malereien, die er ganz Alberto Giacometti widmete. Die Ausstellung trug den Titel Melancholia
at the Guggenheim. Auf dem gleichnamigen und zentralen Bild der Ausstellung
ist ein braun-schwarzer Polyeder* Giacomettis zu sehen, der verloren in einem hellen
Raum mit gläsernem Flachdach steht. Die geschwungene Linienführung der Raumachsen
spricht von zeitgenössischer Architektur. Der Titel weisst auf das von Frank Lloyd Wright
entworfene ikonische Gebäude hin, das wir getrost als Tempel der Moderne bezeichnen
können. Und in diesem Tempel steht er, der einsame braun-schwarze Polyeder, um
täglich von Tourist:innen bestaunt zu werden. Welches Leben lebt ein Kunstwerk, wenn
es einmal das Atelier verlassen hat? Wie fühlt sich das möglicherweise an, wenn sich ein
Kunstwerk in unzählige Reproduktionen auflöst und als gerahmter Kunstdruck über einer
Couch bei einem Stockfoto Shooting platziert wird? (Kiss at Home, 2023) Welche Werte
gelten in den neuen Räumen? (Stadtpolizei Regionalwache City Lobby, 2023) Und welche
Aufgabe hat da die Kunst? (Happy Place, 2022)
Ein Detail in Thomas Moor’s Ausstellung fällt besonders auf. In jedem der Räume ist an
irgendeiner Stelle eine Mozartkugel angebracht, die horizontal an einem metallenen Stab
aus der Wand heraussteht. Die Arbeit heisst Das Original, 2024 und bezieht sich auf den
Urheber-Rechtsstreit, den die Nachfahren des Mozart-Kugel Erfinders Paul Fürst mit zahlreichen
Nachahmern der Praline eingingen. Im Kontext von Value Voyage wird die Kugel
zum Augapfel, der Mettallstab zum Sehnerv und die Wand zu einer Art Speicherorgan der
Malereigeschichte, das sich möglicherweise noch an den Urheber des Mozartsporträts auf
der goldenen Verpackung der „originalen“ Süssigkeit erinnert.
Ein Bearbrick ist eine Sammelspielzeugserie des japanischen Unternehmens Medicom
Toy. Sie kam 2001 auf den Markt und hat sich seitdem zu einem begehrten Objekt in der
Welt der Designer-Spielzeuge und Popkultur-Sammlerstücke entwickelt. 1929 schafft
der niederländische Künstler Piet Mondrian mit “Composition with red, blue and yellow”
eine Ikone der klassischen Moderne und der abstrakten Kunst. Am 01.09.2021 wird der
„Baerbrick Piet Mondrian“ gelauncht. Knapp hundert Jahre nach “Composition with red,
blue and yellow” findet sich also das historische Werk Mondrians als dekoratives Design
auf der Haut eines synthetischen Objekts, das keinen anderen Nutzen hat, als Profit zu
generieren. Wir alle wissen, dass heutzutage auch Malerei in Auktionen oder auf Messen
horrende Preise erzielen kann, die Intention der Künstler:innen ist jedoch meistens kulturell
motiviert und nicht rein monetär.
Thomas Moor malt 2023 den Mondrian Baerbrick in der Tradition von Pop-Art übergroß
und vier Mal. Als stehende Figur, als frontales Porträt, als Porträt mit leichtem Profil und
liegend. Durch den leichten Verlauf im Hintergrund und die betonten Lichteffekte an der
Figur lassen sich die Motive leicht als Produktfotografien erkennen. Thomas Moor nennt
die Serie Value Voyager und erzählt uns von der seltsamen Reise der Bilder, von (ehemaligen)
kunsthistorischen Werten und der Entwertung von Kunst durch die Interessen des
Marktes. Der Baerbrick schwebt dabei wie ein Toter im luftleeren Raum und schaut seiner
Seele hinterher, die den Planeten schon lange verlassen hat.
Benedikt Bock, 2024