CARGO VEILS
Solo show, Dienstgebäude at Kunst 15 Zürich CH
October 29 - November 01, 2015
Text: Gioia Dal Molin

Solo show at Hidden Indexes, Berlin DE
September 16 - September 20, 2015

Wrapping material, previously used by galleries and art handlers to transport and/or store works of art
Various sizes

CARGO VEILS: SPOERRI001, KNOEBEL001, RUFF002, WEINER001, THEK002, VANGOLDEN001, 2015
Installation view CARGO VEILS at Dienstgebäude at Kunst 15 Zürich, CH
Photo: Douglas Mandry

CARGO VEILS: SPOERRI001, KNOEBEL001, RUFF002, 2015
Exhibition view Cargo Veils at Dienstgebäude at Kunst 15 Zürich, CH
Photo: Douglas Mandry

RUFF002, WEINER001, THEK001, VANGOLDEN001, 2015
Exhibition view Cargo Veils at Dienstgebäude at Kunst 15 Zürich, CH
Photo: Douglas Mandry

THOMAS MOOR: CARGO VEILS

In der Förderkoje des Kunstraumes Dienstgebäude an der Kunst Zürich 2015 zeigt der Künstler Thomas Moor (*1988, CH) Arbeiten aus seiner Serie Cargo Veils. Die unterschiedlich grossen Objekte aus gefalteter Luftpolsterfolie und Klebebänder sind an die Wände der Messekoje gehängt. Bedingt durch die Widerspenstigkeit insbesondere der verwendeten Folie sind sie aber dennoch von plastischem, ja dreidimensionalem Charakter. Zugleich imitiert die Anordnung der Klebebänder die Visualität von abstrakten Bildfindungen und verleiht den Arbeiten ein durchaus malerisches Antlitz. Das für die Objekte verwendete Material entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als herkömmliches Verpackungsmaterial für den Transport und die Lagerung künstlerischer Arbeiten, wie es beispielsweise von Galerien verwendet wird. Thomas Moor hat es von befreundeten Künstlerinnen und Künstlern erhalten, die im Aufbau oder als Technikerinnen und Techniker für Galerien oder Ausstellungshäuser arbeiten.
So verweisen die aufgerissenen, mit entsprechenden Logos bedruckten Klebebänder oder die mit schwarzem Filzschreiber angebrachten Beschriftungen auf die Galerie, die das Kunstwerk auf einer Messe feilbietet oder auf das Transportunternehmen, das die Arbeiten zu neuen Besitzerinnen und Besitzern oder aber zurück ins Lager der Galerie spediert. Die einst verpackten Kunstwerke sind abwesend. Gleich einer abgestreiften Haut hängt das Verpackungsmaterial an der Wand. Lediglich die von Thomas Moor gesetzten, aus den Namen der Künstlerinnen und Künstlern und einem fortlaufenden Nummerierungssystem bestehenden Werktitel – Ruff001 oder Thek001 – lassen uns den einstigen Verpackungsinhalt erahnen. Schützte er vielleicht eine Fotografie von Thomas Ruff oder eine Zeichnung von Paul Thek?

Mit Cargo Veils formuliert Thomas Moor einen Kommentar auf die Funktionsweisen des Marktes für zeitgenössische Kunst. Mehr und mehr global organisiert, ist dieser ein Netzwerk, dessen Knotenpunkte Kunstmessen in London, Zürich, Paris, Basel, Miami oder New York bilden. Dabei zirkuliert die Kunst von der Galerie zur Messe, wo sie, vorübergehend nur, ausgepackt und präsentiert wird (während die Luftpolsterfolie im improvisierten Hinterzimmer des Messestandes gelagert wird), um danach zur nächsten Messe, zu den Käuferinnen und Käufern oder zurück in die Galerie versendet zu werden. In diesen, von Angebot und Nachfrage determinierten Prozessen erscheint die Kunst als Frachtgut, das, fest verpackt und verklebt, entweder transportier oder aber gelagert wird. Nicht selten wird sie dabei auch nach einem erfolgreichen (Weiter-) Verkauf nicht aus dem Verpackungsmaterial befreit: Gerade private Sammlerinnen und Sammler nutzen zunehmend die grossen Depots von Zollfreilagern um die als Kapitalanlage für viel Geld erworbenen Kunstwerke bis zum gewinnbringenden Weiterverkauf unversteuert und unverzollt zwischenzulagern.

In diesem Sinne verweist Cargo Veils auf die Gesetze monetärer und symbolischer Wertigkeiten, die den Markt für zeitgenössische Kunst bestimmen und die sich an der Definitionsmacht grosser Galerien oder an der Strahlkraft der Namen bedeutender Künstlerinnen und Künstlern orientieren. Die eigentliche Materialität, ja die tatsächliche Sichtbarkeit künstlerischer Arbeiten werden dabei mitunter verschleiert durch die sich darum herum rankenden Bemühungen der Sakralisierung. Nicht von ungefähr deutet Thomas Moor mit Cargo Veils demnach auch auf einen, der christlichen Historiographie entstammenden Kontext. Auf dem als Reliquie mystifizierten Schweisstuch der Veronika (englisch: Veil of Veronica) hat, so behauptet es die Legende, das schweissüberströmte Gesicht Jesus’ einen Abdruck hinterlassen. Bis heute wird das Objekt als die einzig wahre Darstellung von Christus verehrt. Der Markt für zeitgenössische Kunst speist sich wesentlich aus der Suche nach dem einzigen, ja nach dem wahren Bild, dessen monetärer und symbolischer Wert auf kanonischen Einschreibungen und Behauptungen basiert. Das Kunstwerk selbst jedoch ist in diesem Prozess abwesend. Es hat auf den vielen kleinen Blasen der Luftpolsterfolie lediglich einen Abdruck, eine Spur hinterlassen.

Gioia Dal Molin, Oktober 2015



CARGO VEILS: CARAMELLE001, RUFF001, 2015
Exhibition view Cargo Veils, Hidden Indexes, Berlin DE 2015

CARGO VEILS: RUFF001, BALDESSARI001, 2015
Exhibition view CARGO VEILS, Hidden Indexes 2015

CARGO VEILS: THEK001, 2015

CARGO VEILS: VONBRANDENBURG002, 2016
Exhibition view Aeschlimann Corti-Preis, Centre PasquArt, 2016
Photo: Benoit Jeannet

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